Großer Besuch aus Norwegen

Im Konzert heller Möwenschreie ist jetzt manchmal auch ein volltönender Bass zu hören: „Kla–ou–kla–ou, ouk–ouk“. Es sind Rufe der gänsegroßen Mantelmöwe, die mit sehr kraftvollen Flügelschlägen über das Wattenmeer im Nationalpark rudert. Ihre breiten Flügel können bis zu 170 Zentimeter spannen.

Nach der anstrengenden Aufzucht von zumeist drei Jungen auf den Klippen der Felsenküste von Norwegen unternehmen die nordeuropäischen Möwen ab Mitte August Ausflüge an die Küsten West- und Südeuropas. Im Wattenmeer treffen sie auf Silber- und Heringsmöwen, die ihnen im Körperbau und Aussehen ähnlich sind. Alle drei Groß-Möwenarten haben einen gelben Schnabel mit rotem Punkt, den die Küken instinktiv anpicken, damit die Eltern Futter hervorwürgen.

Mit einer Länge von 70 Zentimetern sind Mantelmöwen Europas größte Möwenart. Silbermöwen messen 60 Zentimeter und Heringsmöwen 55 Zentimeter.

Mantelmöwen unterscheiden sich von Silber- und Heringsmöwen vor allem durch ihren massigen Körper und den sehr kräftigen Schnabel.

Verwechseln kann man sie im schwärzlichen Mantel allenfalls mit der viel kleineren Heringsmöwe, deren Oberseite ebenfalls fast schwarz gefärbt ist. Mantelmöwen haben rosa Beine, die der Heringsmöwen sind dagegen gelb und ihre Flügel ragen deutlich über den Schwanz hinaus.

Heringsmöwen gelten mit ihren langen schmalen Flügeln als eleganteste Möwenart und sind bei Flugmanövern Silber- und Mantelmöwen überlegen. Der Bestand an Mantelmöwen stieg überall dort an, wo sie sich ganzjährig auf Müllkippen und in Fischereihäfen ernähren konnten.

Auch erfüllen sie Aufgaben als Gesundheitspolizei, wobei kränkelnde Tiere wie Lemminge, Jungvögel und sogar meterlange Lachse ihre Beute werden. Um an die Innereien zu kommen, lassen sie gepanzerte Krebse aus großer Höhe auf Felsplatten fallen, bis sie zerbrechen. Und an Meeresküsten suchen sie bedächtig über weite Strecken die Spülsäume nach Fressbarem ab.

Die kontrastreich grob gemusterten, lehmbraunen jungen Mantelmöwen mit den dunklen Schwingen und schwarzen Schwanzbinden sind besonders unternehmungslustig. Ihre Streifzüge führen bis ans Mittelmeer.

Bei Sturm fliegen sie dicht über den Wogen, schwimmen gut und können selbst bei hohem Seegang auf dem Wasser schlafen.

Franz Dreidax